veröffentlicht am 15.12.2022

Musizieren – Fitness für unser Gehirn?

Musizieren – Fitness für unser Gehirn?

Wirkt das Musizieren tatsächlich so stark auf die Entwicklung von Kindern und Erwachsenen? Bei genauerem Hinschauen auf die „Schaltzentrale Gehirn“ beim Musizieren wird vieles klarer. Noten auf einem Instrument wiederzugeben ist eine der komplexesten menschlichen Tätigkeiten, bei der eine Überfülle an Informationen gleichzeitig verarbeitet werden müssen: Zuerst werden die Noten bestimmten Tönen mit einer gewissen Länge, einem definierten Takt, einem bestimmten Tempo und der vorgegebenen Lautstärke zugeordnet – Hände, Füße oder Lippen übersetzen diese Informationen auf Saiten, Tasten, auf Mundstücke, Ventile oder Grifflöcher. Gleichzeitig gilt die Aufmerksamkeit auch dem Vortrag und der Interpretation, was zusätzlich ständiges Voraus- und Nachdenken erfordert. Das alles verlangt nach ausgeprägter Feinmotorik und räumlichem Vorstellungsvermögen, obendrein nach abstraktem sowie komplexem Denken.
 
Der Autor der 2000 veröffentlichten „Bastianstudie“, Dr. Hans-Günter Bastian (+2011), meinte: „Bei keiner anderen Tätigkeit muss ein Mensch so viele Entscheidungen gleichzeitig treffen und diese kontinuierlich über solche Zeitstrecken hinweg abarbeiten. Diese Kombination von konstanter Achtsamkeit und Vorausplanung bei sich ständig verändernder geistiger, psychischer und physischer Beanspruchung konstituiert eine erzieherische Erfahrung von einzigartigem und unverzichtbarem Wert.“ Zu den Studienergebnissen zählen unter anderem auch eine deutliche Verbesserung der Sozialkompetenz bei musizierenden Kindern.
 
Die Gehirnforschung ist mittlerweile in der Lage, sichtbar zu machen, dass Musizieren unsere Gehirnstruktur beeinflusst – wir haben es in der Hand, wir können unser Gehirn trainieren! Eine 2021 erschienene Schweizer Studie hat die Gehirne von Musizierenden und Nicht-Musizierenden verglichen und deutliche Unterschiede festgestellt: Demnach waren die Verbindungen zwischen beiden Gehirnhälften bei Musikerinnen und Musikern stärker ausgeprägt. Die Hörareale der rechten und linken Gehirnhälfte arbeiteten viel synchroner zusammen und waren stärker über Nervenbahnen miteinander verbunden als bei Laien. Die erlernte Koordination zwischen Hören und motorischen Handlungen – etwa die Finger gezielt über die Klaviertasten laufen zu lassen – hinterlässt demnach willkommene Spuren im Gehirn. So schneiden Musiker:innen laut Studienleiter Jäncke auch in Gedächtnisübungen gut ab und erkranken laut Beobachtungsstudien seltener an Demenz.
In erster Linie geht es uns aber um das Musizieren und um die das künstlerische Gestalten! „Wir brauchen Musik, das Gespenst ist die lautlose Welt“ - Ingeborg Bachmann
 
Leipold S., Klein C., and Jäncke L. (2021) Musical expertise shapes functional and structural brain networks independent of absolute pitch ability. Journal of Neuroscience. https://www.jneurosci.org/content/41/11/2496
Bastian, H.G. (2000) Musik(erziehung) und ihre Wirkung. Schott Verlag
https://www.dirk-bechtel.de/wiki/images/e/e7/Zur_Kritik_an_Wirkungsstudie.pdf
VDHM.Magazin (1/2011), S.16f.

 

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